Wie retten wir die Demokratie und eine „Offene Gesellschaft“?

Wer an die größten Probleme und Aufgaben der heutigen Menschheit denkt, der meint damit häufig die äußerlich sichtbaren Probleme und Aufgaben wie: materielle Not, Krankheiten, Überbevölkerung, Klimawandel, Umweltzerstörung, Seuchen, Kriege, Diktatur, Flucht und Vertreibung, Ungerechtigkeit, Unfreiheit, Terror. Dazu kommt jetzt auch noch die Gefährdung unserer Demokratien durch populistische, autoritäre und totalitäre Tendenzen. Verwundert stellen sich einige Politiker, Journalisten und Philosophen die Frage: Warum verliert die Demokratie in vielen Gesellschaften gegenwärtig an Strahlkraft?[1] Auf das Warum wird man keine klare Antwort finden, solange man nicht über das System der Demokratie hinausdenkt. Die Einen verweisen auf das nachlassende Engagement der einzelnen Bürger: „Demokratie braucht Demokraten“, hört man immer öfter von Politikerinnen und Politikern, die sich der Gefahr bewusstwerden, dass Demo­kratien sich durch Mehrheiten auch selbst abschaffen können. Die Heraus­forderung durch das Corona-Virus zeigt besonders deutlich, dass Demokratien jenseits von Macht, ohne die Einsicht und Solidarität möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger nicht überlebens­fähig sind. Die Anderen sehen im Versagen des politischen Systems die Ursache für die Abkehr von immer mehr Menschen von der Demokratie. Sie bedient nicht mehr die Erwartungen, die viele Menschen ihr gegenüber haben. Sie wollen Lösungen für ihre existentiellen Probleme von der Politik: Niedriglohn, Wohnungs­not, Kinderarmut, Chancenungleichheit in der Bildung, Kriminalität, Steuerwirrwarr und Umweltzerstörung, um nur einige zu nennen. Die größte politische Bankrotterklärung eines demokratischen Systems besteht jedoch darin, dass es ihm in Jahrzehnten nicht gelungen ist, seine kostbarste Ressource, die Heranwachsen­den angemessen zu fördern und stattdessen viele von ihnen der Armut, einer geistlosen Pädagogik und verrotteten Schulen überlässt. Die Demokratie geht nicht an seinen Feinden zugrunde, sondern an seinen politischen Akteuren, an den Gutmenschen und den Bieder­männern, die als Zaungäste zusehen wie sich der Untergang westlicher Gesellschaftssysteme vollzieht. Die politischen Eliten Russlands und Chinas gehen davon aus, dass die westlichen Demokratien über kurz oder lang an ihren Widersprüchen und Konflikten zugrunde gehen und fürchten zugleich die Unberechenbarkeit solcher ungelenkten Systeme. Und sie haben recht,

Man kann darauf kommen, dass Demokratien allein nicht für ihre Selbsterhaltung und das Gedeihen freiheitlicher Gesellschaften sorgen können. Demokratie regelt Macht und Mehrheiten. Sie garantiert aber nicht den Wirklichkeits­gehalt demokratisch legitimierten Handelns und nicht einmal das. Sie blendet die Kräfte und Mächte außerhalb ihres Systems, wie Kapital, Wirtschaft, Kultur (Bildung, Information, Wissenschaft) und erst recht die transnationalen Systeme weitgehend aus. Dem „Schlachtruf“ der Umweltschützer aus den 80ger Jahren: „Die Natur überlebt ohne den Menschen aber der Mensch nicht ohne die Natur“ sollte man den Satz zur Seite stellen: „Gesellschaften überleben ohne Demokratie aber Demokratien nicht ohne ihre Gesellschaften. Das heißt, Demokratien sind angewiesen auf eine effiziente Kooperation“ mit allen gesellschaftlichen Subsystemen wie Wirtschaft, Kultur (Wissenschaft, Bildung, Kunst) und Kapital. Und immer mehr hängt das Überleben von Demokratien auch von trans­nationalen und globalen Kooperationen ab. Niemand wird die Demokratien retten, der sich nicht wirklichkeitsgemäß über das Wesen des einzelnen Menschen und sein Verhältnis zu seiner Gesellschaft aufklärt. Niemand wird die Demokratien retten, der Gesellschaft nicht wie einen lebendigen Organismus betrachtet, der sich im Laufe der Geschichte immer weiter entwickelt hat und heute von uns fordert, auch Demokratie in seinem Kontext neu zu denken.

Die Verantwortlichkeit des Einzelnen in der Gesellschaft
Die Party ist vorbei! Nicht zuletzt die Umwelt- und Klimakrise, die Corona-Pandemie, die totalitären Tendenzen in Demokratien, die unlösbaren Konflikte mit China und Russland sowie eine „Wertekrise“ in vielen westlichen Gesellschaften haben uns vor Augen geführt, dass es keine garantierten und unverbindlichen Freiheiten gibt. Der Philosoph Wolfram Eilenberger spricht davon, dass die Menschen in den letzten Jahrzehnten in einer neoliberalen Ich-Blase gelebt hätten, in der es vornehmlich um das Recht auf Spaß, Eigentum und Selbstverwirklichung gegangen sei. Das lasse sich nun, spätestens seit der Bedrohung durch Corona und die Folgen des Klima­wandels nicht weiter so fortsetzen.[2] Die äußerlichen Freiheiten, die verfassungs­mäßigen Rechte, die gerade jene für sich fordern, die sie für andere in Frage stellen, sind kein Besitz und kein Recht. Freiheit ist nicht nur Selbst­verwirklichung und Willkür als Entgrenzung des Individuums. Freiheit ist das Produkt einer Anpassungs­leistung gegenüber der Natur, nicht deren Ausbeutung und sie ist eine individuelle Erkenntnisleistung gegenüber der Wirklichkeit, nicht deren Relativierung durch Meinungen, Mehrheiten und wissenschaftliche „Beweise“ und sie ist eine gesellschaftliche Verbindlich­keitsleistung als Anerkennung von gemeinsamen Werten, Grenzen, Zielen und Regeln. Sie erfordert das Eintreten für andere und den Staat. Einer Freiheits­ideologie, die Freiheit nur als gesellschaftlichen Anspruch definiert, möchte ich die Worte Goethes aus seinem Faust entgegenhalten:

„Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Das ist der Weisheit letzter Schluß;
nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
der täglich sie erobern muß! [3]

Die Erhaltung von Freiheit verlangt zunächst die Anstrengung, Gesellschaft als Ganzes wahrzunehmen, zu verstehen und zu entwickeln. Demokratien und „offene Gesellschaften“, die sich nicht fragen, warum ihnen demokratisch gesinnte Wählerinnen und Wähler zunehmend abhandenkommen und wie sie diese zur Demokratie befähigt, schaffen sich selbst ab.

Ich komme zu der Schluss­folgerung: Demokratie zu retten ohne den individuellen Menschen und die Gesellschaft zu verstehen ist nicht möglich à „Erkenne dich selbst!“ – à„Befreie die Bildung!“. Deshalb steht in meiner Betrachtung neben der Entwicklung des Individuums die Gesellschaft als Gesamt­system im Vordergrund à“Differenziere die Gesellschaft“. Es geht um die Dialektik zwischen Individuum und Gesellschaft. Das eine kann ohne das andere nicht erfasst und entwickelt werden.

Kulturkampf

Vernachlässigt wird die Frage nach den tieferen Ursachen für das Abwenden eines immer größeren Bevölkerungsanteils westlicher Gesellschaften von den Ideen einer „aufgeklärten“, „modernen“ und „liberalen“ Gesellschaft (Moderne[4]). Manche kommen zu der einfachen Schlussfolgerung, dass der historische Wandel von einem autoritären zu einem liberalen Gesellschafts­modell einfach noch nicht von allen Menschen vollzogen wurde und dass zwischen „Autoritären“ und „Modernen“ die eigentliche Konfliktlinie eines weltweiten Kulturkampfes verläuft, den wir gerade beispielhaft im Land der Freiheit, den USA, entbrennen sehen. Aber ähnliches gilt auch für viele andere industrialisierte Staaten auf der Erde. Die Konflikte lassen sich häufig auf Gegensätze zwischen Jung und Alt, zwischen scheinbar Gebildeten und Ungebildeten, zwischen Wohlhabenden und Armen sowie zwischen Stadt und Land zurückführen. Bei der Frage nach den Ursachen wird die Tatsache übersehen, dass sich durch viele westliche Gesellschaften schon seit dem Ersten Weltkrieg ein Riss geht zwischen denen, die einer Gesellschaft der „Moderne“ zumindest nicht ablehnend gegenüberstehen, und denen, die ich „konservative Traditionalisten“ oder „Autoritäre“ nenne. Dabei verschiebt sich die Grenze zunehmend in Richtung Konservatis­mus, je mehr sich die Menschen durch wirtschaftliche Unsicherheit, durch Seuchen, durch Vereinsamung und kulturelle Orientierungs­losigkeit bedroht fühlen. Für die Traditionalisten ist die Welt der Moderne eine „kaputte“ und „hässliche“ Welt in Scherben. Das bezieht sich auf die Erkenntnisunsicherheit gegenüber der Wirklichkeit („fake news“), auf die Abstraktionen der modernen Kunst, auf die Beziehungen der Geschlechter, auf den Zerfall von Gemeinschaften und Gesellschaften. Und selbst die der Moderne nicht abgeneigten Menschen scheinen seltsam gehemmt, wenn es um die Eindeutigkeit und Entschlossenheit geht eine offene Gesellschaft zu verteidigen. Die Ursache ist, dass ihnen selbst klare Antworten auf die Fragen der „Moderne“ fehlen: Wie leben wir ohne Gott, mit Wissenschaften in denen die Wirklichkeit zur toten Theorie erstarrt, in einem endlosen Weltraum, mit einer subatomaren Welt umher­schwirrender Teilchen, in einer Natur die nicht mehr zu uns spricht, als Spielball unserer Gene und Gehirne, als Vereinsamte in einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft, in der Konfrontation mit fremden Kulturen, als ungewollte Datenlieferanteninnen und -Lieferanten manipu­lierender Algorithmen, ohne gesicherte Werte und Traditionen? Und dieser Kampf gegen die rückwärts­gewandten Kräfte wird auch immer mehr verloren gehen, solange wir nicht befriedigende Antworten auf diese und weitere Fragen für alle Menschen finden.

Sechs Aufklärungen geistig-kultureller Erneuerung

Einige Antworten finden wir in der geistig-kulturellen Entwicklung Europas der Vergangenheit und Gegenwart. Der Philosoph Michael Hampe forderte jüngst in seinem gleichnamigen Buch „Die Dritte Aufklärung“[5] für die Entwicklung der Menschheit, nach der Antike und der eigentlichen Aufklärung im 17. Und 18. Jahrhundert und benutzt den Begriff der Aufklärung außer für die klassische Epoche der Aufklärung auch für weitere europäische Erneuerungsimpulse. Wenn der Begriff der Aufklärung also ganz allgemein als Ausdruck für geschichtliche Epochen fundamental neuer Einsichten und geistig-kultureller Umbrüche anwendbar ist, dann spreche ich nicht wie Michael Hampe von drei, sondern von sechs Aufklärungen in der europäischen Geschichte, die uns Antworten auf die Frage geben können, wohin sich der Mensch entwickeln kann und welche Fähigkeiten er für die Zukunfts­gestaltung der Menschheit braucht.

1. Die Antike
Die „Erste Aufklärung“ beginnt für ihn, wie auch für mich, im Griechenland des Sokrates, des Aristoteles und Plato mit der Entwicklung der Philosophie, der Künste, der Mathematik, der Technik und der Demokratie. Für das Menschenbild der ersten Aufklärung steht auch die Odyssee Homers, der seinen Helden Odysseus mit den Göttern brechen lässt. Die Fortsetzung der griechischen Antike in der römischen Kultur, im römischen Weltreich, mit dem römischen Recht, einer zentralen Verwaltung und der Entwicklung zum Monotheismus, die unsere Kultur bis heute prägen, wird von ihm nicht erwähnt. Dann kommt für Michael Hampe lange nichts, bis zu seiner zweiten Aufklärung, der offiziell so genannten Aufklärung, vor allem im 17. Und 18. Jahrhundert. mit solchen Vertretern wie: Emanuel Kant, Rene´ Descartes, Jaques Rousseau, Gotthold Ephraim Lessing, Thomas Hobbes, John Locke, Adam Smith und vielen anderen. Davor kommt für mich aber noch die christliche Aufklärung und die Renaissance.

2. Der christliche Weg nach innen
Eine Epoche, die man nicht unbedingt in Verbindung mit einer Aufklärung bringt, ist das „dunkle Mittelalter“, in dem sich das Christentum der Gelehrsamkeit in die Klöster zurückzieht (ora et labora) und in ihrem Umkreis neue Kultur­techniken sowohl für den Adel als auch für die breite Bevölkerung entwickelt. Gemeint ist also nicht der Teil des Christentums, der hierarchische und totalitär Macht­strukturen entwickelte wie der weltliche Staat. Mag das Leben im Mittelalter in vieler Hinsicht auch noch so brutal gewesen sein, die Quelle dieser menschheit­lichen Aufklärungsphase ist der Weg nach innen und das Streben nach christlichen Tugenden im Mönchstum, im Rittertum und auch in der Bevölkerung. Auch wenn die letztere sich vor allem eine Erlösung von den Bedrohungen des Lebens erhoffte.

3. Der Humanismus
Die „Dritte Aufklärung“ ist für mich die Renaissance des 15. und 16. Jahrhunderts, mit ihrem Humanismus, dem menschlichen Maß in der Kunst, mit der Spaltung der christlichen Kirche durch einen auf selbständiges Denken pochenden Luther, die Entwicklung des Buchdrucks, der Berechnung der Planeten in Ellipsen um die Sonne, die Sicht auf die Erde als Kugel, die um die Sonne kreist und dem Beginn des Kapitalismus, verbunden mit der Erfindung der doppelten Buchführung. Trotz des absoluten Herrschaftsanspruchs, zum Beispiel der Medicis in Florenz, war diesen wohl bewusst, dass ihre Macht ohne eine innovative Kunst und Kultur unvollständig ist. So wurde Florenz zu einem innovativen Experimentier­feld der größten Künstler ihrer Zeit wie Leonarde da Vinci, Michelangelo, Raffael, Hieronymus Bosch und vielen anderen. Den Menschen als das Maß aller Dinge zu bezeichnen, ein Satz der auf Griechen Pythagoras zurückgehen soll, bringt jenseits aller Allmachtsansprüche die Erkenntnis zum Ausdruck, dass nur der Mensch der sein kann, der die Welt misst und unter Zuhilfenahme seiner Sinne erkennt.

Der Habsburger Maximilian der Erste ließ zum ersten Mal eine Münze mit dem Wort „Europa“ prägen. Er schuf ein einheitliches Rechtssystem für das sich über fast ganz Europa erstreckende Kaiserreich und eine zentralisierte Verwaltung. Noch heute beruht ein Teil des europäischen Ansehens auf den Errungenschaften dieser Zeit.

4. Der Rationalismus oder „die“ Aufklärung
Erst nach der Renaissance kommt für mich die so genannte Aufklärung des 17. und 18. Jahr­hunderts, die von mir „Fünfte Aufklärung“ genannt wird, mit der Entdeckung der Vernunft als Produkt selbständigen Denkens – „Ich denke also bin ich[6] (Descartes) oder „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ von Emanuel Kant, der in einem weiteren Schritt, einem Vorläufer seiner „Kritik der reinen Vernunft“ auch der eigenen „Anschauung“ einen entscheidenden Anteil an der Erkenntnis einräumt und damit eine Grundlage für die empirischen Wissenschaften legt. Die bedeutendste Folge dieser neuen Sicht auf die Dinge und den Menschen war, dass die Avantgarde begann in jedem Menschen, unabhängig von der Rasse oder Zivilisation, das Individuum und die menschliche Würde zu sehen. In den Augen des Weltreisenden Georg Forster und auch Alexander von Humboldts gab es keine Wilden unterschiedlicher Rassen und Zivilisationen mehr, sondern nur noch Menschen. Auf der gleichen Erkenntnisbasis begründeten Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau die Menschenrechte und damit die Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit für alle Menschen. In der französischen Revolution beendete vor diesem Hintergrund das Bürgertum mit Hilfe der „Straße“ die Herrschaft des feudalen Adels.

Für die weitere Entwicklung aufgeklärten Denkens und Handelns war entscheidend, dass ihre griechischen Quellen auch Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht verschüttet waren, als zum Beispiel der Entdecker des Elektromagnetismus H. C. Örsted, als aufgeklärte Ergänzung der griechischen Ideale vom „Wahren, Schönen und Guten“[7] seinem jugendlichen Protegé Hans Christian Andersen ins Album schrieb: „Die Vernunft in der Vernunft ist das Wahre, die Vernunft im Willen ist das Gute und die Vernunft in der Phantasie ist das Schöne.“[8] Aber wie vollendet ist diese Aufklärung in einer Welt, in der sich viele Menschen noch immer an religiösen Glaubens­konstruktionen, an Konsum­versprechungen oder Machtphantasien festhalten müssen.

5. Die Moderne
Es folgt die „Fünfte Aufklärung“, die Moderne im engeren Sinne, an der Wende zum 20. Jahr­hundert. Sie entsteht im Kontext der Industrialisierung und anonymen Massen­gesellschaften. Schwer durchschaubare technische Revolutionen wie die Elektrifizierung, die Atomphysik und die Moderne Kunst begleiten diesen Wandel und eine Individualisierung der Gesellschaft ist die Folge. Der einzelne Mensch fühlt sich zunehmend auf sich selbst zurück­geworfen.

Die vierte Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts war in erster Linie eine Aufklärung des Verstandes und der theoretischen Erkenntnis, auch wenn sie sich, vor allem in der Romantik eine Gegenbewegung der fühlenden Erkenntnis schuf. Die Moderne als Aufklärung des 20. Jahrhunderts ist eine Aufklärung der eigenen Befindlichkeit. Sie stellt das gefühlte Selbst, man könnte auch sagen, das Ego in den Mittelpunkt. Eines ihrer Ziele war deshalb die Selbstverwirklichung. Sie erklärt das Subjekt zum Mittelpunkt der eigenen Erkenntnis und Weltsicht. Auch die Kunst individualisiert sich. Um die Wendezeit vom 19. zum 20. Jahrhundert fand, jetzt auch auf breiterer Ebene, ein Bewusstseins­wandel von denjenigen statt, die die Gedankenkonstruktionen der Vernunft nicht mehr für ein Abbild der Wirklichkeit hielten. Jetzt bemerkte eine Avantgarde, dass sich die Ansicht der Wirklichkeit durch den individuellen Stand­punkt in Raum und Zeit relativiert. Nicht zufällig war dies auch der Entstehungs­zeitpunkt der Relativitätstheorie und einer Kunst, die den subjektiven Blick des einzelnen Künstlers in den Mittelpunkt stellt. Aber die Gefahr dieser Entwicklung besteht darin, damit auch die Existenz der Wirklichkeit selbst und den menschlichen Zugang zu ihr zu relativieren oder gar ganz zu leugnen (Postmoderne).

Die Aufgabe der Moderne besteht darin, den Zugang zur Wirklichkeit in sich selbst zu finden àErkenne dich selbst! und den gesellschaft­lichen Zugang zu ihr in einem dialogischen Prozess der Meinungen zu organisieren (Dialog oder Diskurs)[9], der sich an der Wirklichkeit orientiert. Aber die gesellschaftliche Wirklichkeit und die Probleme der Demokratien machen deutlich, dass die Moderne und damit die von mir so genannte „Vierte Aufklärung“ noch lange nicht vollendet ist und noch nicht im Bewusstsein einer Mehrheit aus allen Schichten angekommen ist. Gemeint ist eine Moderne, die noch zukunftsoffen ist und nicht schon Geschichte, wie in der Vorstellung jener, die die heutige Epoche als Postmoderne bezeichnen. Die Vision „Erkenne Dich Selbst!“, die schon vor mehr als 2500 Jahren am Apollotempel in Delphi geschrieben stand, die im Laufe der Geschichte immer wieder verschüttet wurde, ist er der einzige Weg, der die Menschen zu sich selbst bringen kann und damit auch die individuelle Voraus­setzung für gesellschaftliche Erkenntnis schafft.

6. Die Postmoderne oder die Entwicklung des Bewusstseins
Für Vertreter der „Postmoderne“, wie Jean-Francois Lyotard[10] ist die Ära der Moderne schon wieder vorbei, weil „man einerIdee eines sinnhaften Fortschritts der Geschichte hin zu einer Utopie (…) nicht mehr glauben kann. Folglich kann es auch kein Projekt der Moderne mehr geben, keine große Idee von Freiheit und Sozialismus, (…).“[11] Aber die berechtigte Kritik an einem unbegründeten Fortschritts­glauben und anderen westlichen Gewissheiten, wie zum Beispiel dem Liberalismus und dem Kapitalismus, ist noch keine Widerlegung der Moderne. Sie ist nur dort unvollendet, wo Menschen noch nicht zu sich selbst gekommen sind. Das Selbsterlebnis der Moderne, in ihrem Extrem auch Hedonismus oder Selbstliebe genannt, ist aber die Voraussetzung dafür, dass das individuelle Bewusstsein anfangen kann sich selbst zu spiegeln und zu korrigieren. Die Moderne hat die Selbsterkenntnis zum Ziel, die Postmoderne hat die Korrektur des Spiegels zur Aufgabe, mit dem der Mensch, die Welt sieht. Die Selbstkorrektur ermöglicht es ihm geistesgegenwärtig mit der Welt eins zu sein und im Hier und Jetzt zu handeln. Der bekannte Begriff Postmoderne definiert sich durch den Widerspruch zur Moderne. Eine an der Zukunft orientierte Benennung sollte deshalb eher „Echtzeitbewusstsein“ heißen, weil die Menschheit, nicht zuletzt durch die Digitalisierung in die Lage versetzt wird zu erfassen, was jetzt passiert und was jetzt getan werden muss. Erkennen und Handeln werden dann eins in der bewussten Intuition.

In diesem Punkt besteht eine Überein­stimmung mit Michael Hampe, der aufgeklärte Pragmatiker fordert, also Menschen bei denen Denken und Handeln in direkter Verbindung stehen. 159 Jahre nach der Version. C. Örstedts von den griechischen Idealen vom Wahren, Schönen und Guten im Sinne der dritten Aufklärung formuliert die Professorin für Wirtschafts­informatik in Wien, Sarah Spiekermann 2019 in ihrem Buch „Digitale Ethik“[12]: „Stattdessen brauchen wir ein bewussteres Wirklichkeits­verständnis das es uns erlaubt, die Welt der Werte wiederzuentdecken und damit das Streben nach dem Guten, Wahren und Schönen neu zu beleben. Leider haben wir in der Moderne – „Postmoderne – “: (Anmerkung des Autors) diese in der Antike formulierten Ideale ins Märchen verbannt. Können wir sie wiederent­decken?“ Aus dieser Feststellung ergeben sich für mich zwei Fragen: Was ist ein „bewussteres Wirklichkeitsverständnis“? Und, welche Fähigkeiten brauchen die Menschen für eine fünfte Aufklärung, um zu geistesgegenwärtigen Pragmatikern auf der Grundlage der Ideale vom Wahren, Schönen und Guten zu werden? Die Antworten darauf geben die folgenden dreizehn Ziele.

Das Potential Europas

Man kann zu der Schlussfolgerung kommen, dass die meisten Menschen in Europa und in anderen industrialisierten Staaten noch nicht einmal in der aufgeklärten Moderne angekommen sind, geschweige denn in der Postmoderne. Sie sind nicht in der Lage sind sich selbst und ihr Verhalten zu reflektieren. Immer noch folgen Millionen von Menschen einer Religion oder anderen Glaubensbekenntnissen, mögen sie nun Kirche, Konsum oder Donald Trump heißen. Noch häufig werden deshalb Gesellschaften autoritären Mächten unterliegen. Man kann aber das Glas auch als halbvoll betrachten und sehen, welches Potenzial Europa einst in die Wiege gelegt wurde und welche ungeheuren Kräfte die westliche Kultur noch entfalten kann, wenn sie das Feuer aller sechs Aufklärungen mit ihren geistig-kulturellen Zielen in sich entzündet. Aber auch das halbleere Glas ist nicht zu übersehen und manifestiert sich besonders in dem Versagen der Gesellschaften und Staaten Europas sich auf gemeinsame Ziele zu einigen und sie auch zu realisieren. Davon ist eines der dringlichsten, allen Heran­wachsenden Europas eine in die Wirklichkeit führende Bildung der Selbstentwicklung und Kreativität mitzugeben.

Dreizehn geistig-kulturelle Ziele

Die Zugänge zur gegenwärtig noch unvollendeten Moderne und zu der sich erst andeutenden sechsten Aufklärung, die ich statt Postmoderne lieber Echtzeit­bewusstsein nennen möchte und die von den Menschen geistesgegenwärtiges Handeln im Hier und Jetzt fordert, liegen im Inneren des Menschen und in der Gesellschaft, von der die Demokratie nur ein Teilsystem ist. Gesellschaft­liches Selbstverständnis und individuelle Gesellschafts­fähigkeit bedingen einander. Die Basis aller Problem­lösungen und Entwicklungen zum Guten in der Menschheit kann nur ein neuer Humanismus sein, der nach den Entwicklungs­möglichkeiten jedes einzelnen Menschen und der ganzen Gesellschaft fragt und nicht nur nach ihren Beschränkungen. Meine „dreizehn Ziele“ gehen deshalb von dreizehn innovativen Impulsen aus, die sich auf die Potenziale des einzelnen Menschen sowie auf die Entwicklungs­möglich­keiten ganzer Gesellschaften beziehen. Diese stehen im Kontext zunehmender Globalisierung und gefährdeter Lebensgrundlagen. Sie sind als motivierende Strebensrichtungen zu verstehen und wollen vor allem den Jungen zurufen:

Hier ist noch geistiges Neuland zu erobern und zu erforschen! Macht Euch auf den Weg! Ihr seid Teil der Lösung! Die Welt wird uns nicht verzeihen, wenn wir weiter selbstgefällig in unseren kleinen eingefriedeten Gärten wirken anstatt uns zusammenzutun und zu kämpfen. Die Zukunft beginnt mit dreizehn Grenzüberschreitungen:

Identitätskrisen

Die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten hielten viele für undenkbar, eine Mehrheit für den Brexit für unwahrscheinlich. Mit der Rückkehr Polens, Ungarns, Tschechiens und der Türkei zu rückwärtsgewandter, repressiver Politik haben die meisten von uns nicht gerechnet. Die populistischen, antimodernistischen, nationalistischen, autokratischen und antidemokra­tischen Entwicklungen, in vielen Ländern Europas haben wir nicht erwartet. Aber erst angesichts einer erstarkenden rechten Bewegung in der Mitte der deutschen Gesellschaft, stellt sich für immer mehr Menschen in unserem Land die Frage: Müssen wir die politischen und gesellschaftlichen Errungen­schaften, wie die Ideale der französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit -, die politischen Grundrechte, die demokratische Verfassung, ihre Ordnung und ihre Werte nicht besser gegen ihre Feinde verteidigen? Immer mehr Menschen teilen, angesichts einer Spaltung, die durch die Gesellschaft geht, den Eindruck, die Demokratie sei in Gefahr. Die meisten von uns stellen sich aber nicht die Frage nach dem Zustand dessen was wir verteidigen wollen und nach den tieferen Ursachen der Krisensymptome, die wir beklagen.

Gibt es nicht eine Spaltung in vielen Gesellschaften, vor allem durch Armut, durch unsicheres Einkommen, durch mangelnde Bildung, durch Arbeitslosigkeit oder prekäre Arbeits­verhältnisse, durch einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum, durch Spekulation mit Grund und Boden, durch die Macht des Kapitals, durch den Einfluss großer Konzerne auf die Politik und durch Überfremdung im eigenen Lebensumfeld? Aber die Krisenstimmung und die Zweifel am Erfolgsmodell Demokratie in vielen Gesellschaften haben ihre Ursachen nicht nur in instabileren äußeren Lebensverhältnissen, sondern auch in einer verunsicherten individuellen und sozialen Identität: Wer bin ich? Was gibt mir Halt? Wie kann ich die Wirklichkeit der Welt erleben? Wo habe ich meinen Platz in der Gemeinschaft? Was ist unsere Identität als Gesellschaft? Welche Traditionen und Rituale tragen mich? Was macht uns als Deutsche aus und welche Aufgabe habe ich in der Welt? Es ist nicht ohne Grund, dass sich die Ideologen der Rechten in Deutschland „Die Identitären“ nennen. In vielen nationalistischen Strömungen des Westens geht es in Wahrheit um die Verunsicherung der Menschen durch die „Zumutungen der Moderne“, die ihnen jede Gewissheit und jeden Halt zu rauben scheinen.

 

Der tägliche Wahnsinn und die Krise der Moral

Selbst der Glaube an das Gute im Menschen gerät ins Wanken: Schwebten wir nicht gerade noch auf der Obama-Welle – „Yes we can“ – und die Zuversicht ließ uns all die Katastrophen auf der Erde mit Optimismus ertragen. Und jetzt streckt uns, wie zum Hohn der Teufel seine Fratze in der Gestalt eines Trump, Putin, Erdogan, Orban, Kaczynski oder Maduro entgegen. Da wird in der Türkei jeder zum Terroristen erklärt und ins Gefängnis gesteckt, der sich kritisch zur Regierung äußert. Da werden Häscher in ein souveränes fremdes Land geschickt um Abtrünnige zu vergiften oder in Teilen zerlegt verschwinden zu lassen. Aber es muss ja nicht gleich Mord oder Einkerkerung sein. Es ist auch der Verlust von etwas, was Axel Hacke mit dem Wort „Anstand“ umschreibt: „Wir leben, dies nur mal als erstes Beispiel, in einer Welt, in der ein Verlust jedes menschlichen Anstandes einen Mann nicht daran gehindert hat, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Sondern in der gerade diese Zurschaustellung der eigenen Niedertracht, ihm den Weg in dieses Amt sogar geebnet zu haben scheint.[13] Aber nicht nur ganz oben haben wir es mit einem Verlust von „Anstand“ zu tun. Durch die „sozialen Medien“ verstärkt, bricht sich auch in der breiten Bevölkerung der Mangel an Achtung und Rücksicht in Form von Hassmails, Shitstorms und beleidigenden Äußerungen bahn. Da fahren Autofahrer an Hilfesuchenden einfach vorbei, manchmal nicht ohne noch schnell ein Handy-Foto zu machen. Dagegen werden Hilfskräfte durch Gaffer behindert oder gar beschimpft und tätlich angegriffen. Alte Menschen werden um ihren Notgroschen betrogen. Auf Wehrlose, die schon am Boden liegen, wird besinnungslos eingetreten. Mütter (und Väter) haben kaum noch einen Blick für ihre Kinder, weil sie ohne Unterbrechung auf ihr Handy schauen müssen. In Bus und Bahn kommt kaum noch ein Gespräch zustande. Und die sozialen Beziehungen vieler Menschen beschränken sich mehr und mehr auf den Umgang mit ihren Haustieren. Auch ganz banale Formen der Rücksichtnahme scheinen nicht mehr selbstverständlich zu sein. Immer wenn ich in den letzten Jahren mal Termine bei Ärzten und Handwerkern oder Reservierungen in Restaurants absagen musste, wurde mir geradezu überschwänglich gedankt, so als ob sich kaum noch jemand von einer Vereinbarung abmelden würde. Was passiert da gerade?

Dazu kommt das systemische Versagen an allen Ecken und Enden, in der Politik, in der Wirtschaft, der Finanzwirtschaft oder sollten wir besser sagen in der Organisation des Kapitals, der Kultur und Unfähigkeit ein Großunternehmen zum Wohle der Bevölkerung zu organisieren

Zweifel am Fortschritt

Dazu kommen die Zweifel am Fortschritt des Menschen. Viele haben geglaubt, Technik und Wissenschaft würden den Menschen befähigen seine Probleme zu lösen. Eine wissenschaftsorientierte Bildung würde ihn auch menschlich auf eine höhere Ebene heben. Durch wissenschaftlichen Fortschritt und die Verfügbarkeit von Wissen im Internet würde auch ein besserer Mensch entstehen. Fortschrittliche Technik könnte unsere Umwelt­probleme lösen. Psychologie könnte dem Menschen seelische Krisen ersparen. Die Folge dieses Irrglaubens ist, dass die eigentlichen Fähigkeiten des Menschen zur Erkenntnis und zu sinnvollem Handeln zugunsten von Wissen in den Hintergrund getreten sind. Die Wissensgesellschaft verhindert nicht, dass immer mehr Populisten wie Donald Trump, Egip Erdogan in der Türkei, Kazinsky in Polen, gegenüber wissen­schaftlichen Erkenntnissen immun zu sein scheinen und wider „besseres Wissen“ handeln. Sie erklären Wissen einfach zu „fake news“ und diffamieren seriösen Journalismus als „Lügenpresse“. Und wenn wir bei öffentlichen Auftritten dieser neuen Potentaten in die Gesichter ihrer Unterstützer blicken, von denen sie umringt sind oder bei uns in Deutschland bei Aufmärschen in die Gesichter rechter Wutbürger blicken, dann sehen wir häufig in die Gesichter von „Zombies“, die den Kontakt zur Wirklichkeit außerhalb ihrer eigenen Vorstellungswelt verloren haben.

Woran liegt das? Die beunruhigende Erkenntnis könnte sein: Wissenschaft und Wissen vermitteln keine Gewissheit, bleiben emotional unverbindlich, geben keinen Halt, verwurzeln den Menschen nicht im Leben und verhindern keinen Wirklichkeitsverlust. Aber nicht nur die sogenannten Ungebildeten erleben den Verlust von Gewissheit und Identität in einer fragmentierten Gesellschaft. Auch unter den sogenannten Gebildeten, oder wenigstens Ausgebildeten der staatstragenden Mittelschicht nimmt die Suche nach dem Sinn des Lebens in Form von „Selbstoptimierung“, Erlebnishunger und Konsum mitunter schon verzweifelte Formen an. So jagen immer mehr Menschen wie Goethes Faust rastlos durch die Welt von Konsum, Events und Kreuzfahrt ohne den Grund, den Schlüssel zur Selbstzufriedenheit in sich selbst zu suchen. à“Erkenne dich selbst“

Evolution Rückwärts

Die Analyse der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation zeigt auch, dass es an grundlegender Bildung mangelt. Ein wirklicher Geschichtsunterricht hätte uns von der Entwicklung der Menschheit erzählen können, hätte uns die Selbstzerstörung von Gesellschaften in der Vergangenheit vor Augen geführt. Wirkliche Einsicht in die Erkenntnisse der Evolutionslehre Darwins, in die moderne Gehirnforschung oder die Epigenetik hätte uns zeigen können, dass Lebewesen und so auch der Mensch sich nicht nur weiterentwickeln, sondern auch rückwärts entwickeln können, so dass sie viele ihrer Fähigkeiten, die sie im Kampf ums Überleben erworben haben auch wieder verloren gehen können. Der Mensch kann auch verblöden, wenn er Wissen mit Wirklichkeit verwechselt und nicht mehr an den Heraus­forderungen der Wirklichkeit lernt. Der Anpassungsdruck im Kampf ums Überleben, der seit Jahrmillionen der Motor der Evolution auch für den Menschen war, wirkt in entwickelten Zivilisationen nicht mehr, in denen der Einzelne durch gesellschaftliche Sicherungssysteme vor existentiellen Gefahren wie Hunger, Wohnungs­losigkeit und Gewalt durch gesellschaftliche Systeme und die Segnungen der Zivilisation abgesichert ist. Menschlicher Fortschritt ist kein unumkehrbarer Prozess. Kein Wissen, kein Internet und keine Technik der Welt kann den Menschen selbstbewusster, einfühlsamer, aufmerksamer, vernünftiger, ehrlicher, verlässlicher, willensstärker, tüchtiger, innovativer und kreativer machen. Und auch Gesellschaften, ganze Kulturen können untergehen, wie wir aus der Geschichte wissen, weil sie ihre eigenen natürlichen und kulturellen Grundlagen zerstören und die Fähigkeiten verlieren sich neuen Heraus­forderungen zu stellen. Dem Grundgesetz allen Lebens kann keine noch so weit entwickelte Zivilisation entfliehen und auch kein einzelner Mensch. Sie müssen eine sich permanent verändernde Welt als Ganzheit immer neu zu erkennen suchen und Fähigkeiten entwickeln sie zu gestalten. Wissenschaft und Wissen allein ist nicht geeignet in der Wirklichkeit erfolgreich zu handeln.

Niedergang der Demokratien

Die Zweifel an einer liberal ausgestalteten Demokratie werden auch in Europa immer größer. Sind wir mit unserer Demokratie vielleicht doch nicht am „Ende der Geschichte“[14] angelangt? Viele haben geglaubt, der Siegeszug freiheitlicher Demokratien sei unaufhaltsam und unwiderruflich. Mitnichten, auch Francis Fukuyama hat inzwischen widerrufen und stellt in seinem neuen Buch „Identität“ fest, dass das Überleben der Demokratien von Rahmenbedingungen wie Würde und Identität abhängt, die sie selbst nicht hervorbringt. Viele der rückwärtsgewandten, konservativen und zunehmend auch repressiv handelnden Regierungen suchen ihr Heil wieder in den Religionen und in konservativen Werten oder gar in einem völkisch-rassistischem Zusammenhalt: „Wir sind das Volk“: Dabei nutzen sie die Demokratie zu ihren Gunsten um mit konservativen Mehrheiten Freiheiten und liberale Werte einzuschränken. Nun kann man der Meinung sein; das lässt sich unter den demokratischen Spielregeln ja auch wieder ändern. Manche halten die Vereinigten Staaten noch für eine lebendige Demokratie. Aber rückwärts­gewandte Regierungen wie in Polen, Ungarn, vielleicht demnächst auch in Italien haben ihre Lektion gelernt: Wenn es ihnen gelingt einmal an die Macht zu kommen, und sei es mit Versprechungen, Lügen und Provo­kationen, dann nutzen sie ihre Chance um mit Wohltaten für die breite Masse – „Brot und Spiele“ nannten es die Römer – , mit einer Bekämpfung der freien Medien und mit einer Eindämmung der unabhängigen Justiz diese Macht zu zementieren. Die Vorstellung, bürgerliche Mehrheiten könnten diese Entwicklung durch höhere Wahlbeteiligung und durch mehr Engagement für die Demokratie einfach wieder rückgängig machen, gleicht der Naivität des Biedermann aus dem Stück „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch, der die Brandstifter aus Gleichgültigkeit und Unentschlossenheit selbst in sein Haus lässt. Wenn das Haus erst einmal brennt, ist es zu spät. Auch Adolf Hitler wurde von einem Teil des Bürgertums in der Hoffnung gewählt nur vorübergehend für Ordnung zu sorgen. Eine Demokratie kann schnell umkippen, wenn seine Bürger ihre Wohlfühlzone verlassen müssen und sie in ihnen nicht durch eigene Einsicht, Überzeugung und Entschlossenheit verankert ist.

„Update für die Demokratie“

Nach dem Schock von Brexit, Trump und AFD sprießen nun überall Initiativen aus dem Boden mit dem Ziel die Demokratie zu retten. Dabei stellt sich dann allerdings die Frage, wie die Demokratie zu verbessern und weiter zu entwickeln sei und ob nicht auch das Konzept der Demokratie für ein neues Zeitalter verändert werden muss. In einer Sendung des Fernsehsenders „3sat“, mit dem Titel „Update für die Demokratie“, von Lars Seefeldt und Stefan Ebling, wurde der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert am Schluss eines Interviews zum gegenwärtigen Zustand der Demokratie gefragt: „Herr Lammert, …und was kommt nach der Demokratie, so wie wir sie jetzt kennen?“ Diese Frage führte zu einem geistigen „Systemabsturz“ des damaligen Bundestags­präsidenten: „Ja, ne, – also… das ist auch so eine Spekulation; die können Sie anstellen“ – Äh…- das machen wir jetzt nicht!“ (Abbruch des Interviewmitschnitts) Auch der Wendepolitiker Wolfgang Thierse aus der ehemaligen DDR und ehemalige Bundestags­präsident hält sich in Hinblick auf die Frage nach der Zukunft dieser Demokratie an den fundamentalen Wahrheiten der Vergangenheit fest: Ein „nach der Demokratie“ möchte ich mir gar nicht vorstellen, das ist unaufhebbar: die Gewalten­teilung, die Minderheitenrechte und die Überzeugung, dass alle Bürger gleichwertig sind. Ich wünsche mir, dass wir experimen­tieren wie unsere Demokratie lebendiger wird, wie mehr Bürger bereit sind Verantwortung zu übernehmen.“

Organisiere die Demokratie

Einige dieser Lösungen für eine lebendigere Demokratie mit mehr Beteiligung der Bürger lassen sich unter dem Begriff „Flüssige Demokratie“ (Siehe Seite: ) zusammenfassen. Das heißt, mit anderen Worten, es wäre schon viel gewonnen, wenn auf Demokratie wenigstens die Erkenntnisse der Organisations­entwicklung angewendet würden, ohne die vor allem innovative Unternehmen heute nicht mehr auskommen. Gemeint ist damit zum Beispiel ein besseres (flüssigeres) àEntscheidungsmanagement, in der nicht nur Kompromisse, sondern auch die Wirklichkeit eine Chance hat, ein besseres àOrganisations­management, das jeden Einzelnen besser mit dem Ganzen verbindet und ein ressourcenschonenderes àProzessmanagement (lean management), das in der Lage ist auch vom Ende her zu denken: Wie müssen wir jetzt handeln um eine unumkehrbare Klimakatastrophe zu vermeiden? Stellen sie sich nur einmal vor wie viele Fehlentscheidungen in Politik, Wirtschaft und Kultur gefällt werden, nur weil sich die Entscheidungsprozesse an den eigenen Denkgewohnheiten und nicht an den Gesetzen der Wirklichkeit orientieren.

Aber den tieferen Problemen von Demokratie gehen diese Lösungsansätze einer „flüssigen Demokratie“ nicht auf den Grund. Von einer fundamentalen Kritik an der real existierenden Demokratie in seiner momentanen Ausformung ist schon gar nicht die Rede und die Notwendigkeit wesentlicher Veränderungen wird von den meisten Politikern nicht gesehen. Und, gibt es überhaupt eine wirkliche Krise der Demokratie? Oder ist es nur so, wie Bundespräsident Lammert sagt: „Die Demokratie ist immer dann am stärksten in Gefahr, wenn die Menschen beginnen sie für selbst­verständlich zu halten.“ Geht es uns also nur zu gut, weil viele nicht mehr den Krieg, den Hunger und die Diktatur erlebt haben? Liegt es daran, dass wir uns nicht genug für die Demokratie einsetzen oder gibt es in der existierenden Demokratie, wie wir sie jetzt verstehen und praktizieren und in ihrem gesellschaft­lichen Kontext auch Wiedersprüche, die auf die Dauer sogar zu ihrem Untergang führen müssen, wenn wir diese nicht verstehen und in die Erneuerung der Demokratie mit einbeziehen?

Über die Grenzen der Demokratie

In einem Essay des Chefredakteurs des Weserkuriers, Moritz Döbler, über die Frage, wie unsere Demokratie zu schützen sei, und das bezeichnenderweise mit dem Titel: „An den Grenzen des Systems“ überschrieben ist, kommt das Wort: „Gesellschaft“ nicht ein einziges Mal vor. Der Autor bleibt an den Grenzen des politisch-demokratischen Systems stehen, indem er am Ende seines Artikels resümiert: „Wer von seinen demokratischen Rechten Gebrauch macht, muss nicht nur Sachfragen, sondern mehr denn je das politische System als Ganzes im Blick haben. (…) Die Demokratie muss sich besser organisieren, wenn es überleben soll.“ Diese Forderung nach besserer Selbstorganisation der Innenverhältnisse von Demokratie schlägt sich nieder in einem ersten Leitsatz:

  1. Organisiere die Demokratie

Diese Forderung hat aber nicht nur eine Verbesserung der inneren Prozesse im Sinn, sondern auch das Zusammenspiel aller Teilprozesse zu einem Ganzen. Diese Doppelfunktion und Polarität von Differenzierung (Arbeitsteilung) und Integration kommt in dem Begriff Organisation zum Ausdruck. Häufig wird nur an das Erstere gedacht und nicht daran wie die „Teile“ wieder zu einem Ganzen zusammenwachsen können. Darum geht es aber im sozialen Zusammenleben von Menschen: dass man nicht nur an die Freiheit und die Rechte denkt die das System dem einzelnen verschafft, sondern auch an die Kräfte und Leistungen des Einzelnen Bürgers die notwendig sind um eine Gesellschaft zusammen zu halten.

Denn die Demokratie ist nicht das ganze System. Demokratie ist eben nicht gleich­bedeutend mit dem gesellschaftlichen System. Eine Betrachtung, die davon ausgeht, das politisch-demokratische System nur innerhalb seiner Grenzen zu verbessern, ist zum Scheitern verurteilt, weil Demokratie ein Teil des größeren Systems Gesellschaft ist. In ihr wirkt sie zusammen mit drei anderen, gleichwertigen sozialen Subsystemen: der Wirtschaft, der Kultur (Bildung, Wissenschaft, Kunst), Kapital- und dem Kapital- und Finanzsystem. Deshalb muss Demokratie vom Gesichtspunkt der Gesellschaft aus neu definiert werden. Denn alle Probleme beginnen damit, dass politisch-demokratische Systeme in unklaren Beziehungen mit den anderen gesellschaftlichen Subsystemen, dem Wirtschafts-, Kultur- und Kapitalsystem um Hegemonie kämpfen.

„Warum wir die „Offene Gesellschaft“ verteidigen müssen“,

So lautet der Untertitel eines Buches von Michael Schmidt-Salomon, das nicht die Gefährdung der Demokratie in den Vordergrund stellt, sondern die Gefahren für die Erhaltung einer „offenen und liberalen Gesellschaft“. Es geht um die Bedrohung bürgerlicher Werte und Freiheiten in einem Land trotz Demokratie. Wie real diese Bedrohung ist, zeigen uns die USA, die Türkei und selbst Staaten mitten in Europa, wie Polen und Ungarn wo versucht wird mit den Mitteln von demokratischen Mehrheiten Freiheitsrechte wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Freiheit der Kunst und sogar die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden um die eigene Macht zu zementieren. Deshalb sollten wir nachfragen: Worin besteht das eigentliche Risiko für die Demokratie? Dazu müssen wir aber nicht nur die Demokratie selbst, sondern auch die Vorstellungen von einer „Offenen Gesellschaft“ in Frage stellen. Ist denn das, was wir verteidigen wollen überhaupt eine „Offene Gesellschaft“ und als solche auf die Dauer lebensfähig? Denn demokratische Institutionen, passive Rechte wie z. B. Menschenrechte, Rechtssicherheit, Meinungsfreiheit (usw.) allein, können offensichtlich eine „Offene Gesellschaft“ oder den „Liberalen Traum“ wie andere es nennen, nicht garantieren. Denn sie garantieren nicht, dass die mündigen Teilnehmer einer Gesellschaft diese Rechte auch mit aktivem Handeln ausfüllen.

„Offene Gesellschaft“

Der Begriff der „Offenen Gesellschaft“ geht auf den „liberalen“ Philosophen Karl Popper und sein Werk: „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ zurück. Michael Schmidt-Salomon schreibt in seinem Buch „Die Grenzen der Toleranz“: „Den Entschluss, ein Grundlagenwerk über den Unterschied von totalitären und freiheitlichen Denkprinzipien zu schreiben, fällte Popper am 13. März 1938, dem Tag, an dem er von Hitlers Einmarsch in Österreich erfuhr.“ 1937 sah er sich gezwungen mit seiner Frau nach Neuseeland zu emigrieren, da er von jüdischer Abstammung war und fest mit dem Einmarsch Hitlers in Österreich rechnete. Schon 1933 war in Poppers Heimatland Österreich die Demokratie auf parlamentarischem Wege abgeschafft worden. Auch dadurch wird deutlich, dass eine Demokratie als Grundordnung allein durch sich selbst nicht geschützt werden kann, sondern dass sie von weiteren gesellschaftlichen Faktoren abhängt. Welche Faktoren das sind, ist auch ein wesentlicher Teil der Antwort auf die Frage, was eine „Offene Gesellschaft“ wirklich ist und sein kann. Auch der Autor der Schrift „Die Grenzen der Toleranz“ von Schmidt-Salomon, mit dem bereits genannten Untertitel „Warum wir die offene Gesellschaft verteidigen müssen“, räumt ein, dass die Schwierigkeit besteht zu definieren, was eine „Offene Gesellschaft“ ist und am Leben erhält, weil wie er sagt, auch Popper den titelgebenden Begriff seines Buches nicht exakt bestimmt. Salomon weist darauf hin, dass Popper erst im zehnten und letzten Kapitel des ersten Bandes überhaupt darauf zu sprechen kommt, was eine offene Gesellschaft von einer geschlossenen Gesellschaft unterscheidet. Als „geschlossene Gesellschaft“ bezeichnet Popper die „magische, stammesgebundene oder kollektivistische Gesellschaft, als „offene Gesellschaft“ eine Gesellschaftsordnung „in der sich die Individuen persönlichen Entscheidungen gegenübersehen.“ Und dann schreibt Salomon: Wer eine konzentrierte Bestimmung der Wesensmerkmale einer offenen Gesellschaft sucht, wird in Poppers Werk nicht fündig werden.“ Aber im ersten Band, der sich mit Plato beschäftigt, zeigt er nicht nur auf, „welche Elemente das totalitäre Denken bis zum heutigen Tag charakterisieren, er erklärt auch weshalb Menschen für solche Denkmuster immer wieder anfällig sind.

(S. 117). Salomon fasst Poppers Auffassung vom Totalitarismus und einer geschlossenen Gesellschaft mit den Worten: „Flucht vor der Freiheit“ zusammen und führt weiter aus: „-was auch erklärt, warum sein Buch beinahe den gleichen Titel getragen hätte wie die fast zeitgleich verfasste (allerdings vier Jahre früher publizierte Faschismusstudie von Erich Fromm. Beide Autoren waren – unabhängig voneinander und von völlig unterschiedlichen theoretischen Ansätzen ausgehend – zu der Einsicht gelangt, dass totalitäres Denken vornehmlich aus der Unfähigkeit resultiert, die Befreiung des Individuums aus den Ketten der Konvention als Chance statt als Bedrohung zu begreifen. – Und weiter: „Wenn diese Diagnose stimmt, wenn die also ein widerkehrendes Muster der menschlichen Kulturgeschichte ist, so stellt sich die Frage, wie sich eine offene Gesellschaft gegen derartige Angriffe schützen kann.“ An dieser Stelle möchte ich schon einmal darauf aufmerksam machen, dass Fromm und Popper die Hauptursache für die Bedrohung einer offenen Gesellschaft im Individuum sehen ohne die Frage zu stellen, welchen Anteil die Gesellschaft am Zustandekommen freiheitsuntüchtiger Menschen hat. Ja, lassen sich vielleicht sogar Ursachen finden, die bis in den Bereich unserer Verfassung reichen, die das Heranwachsen freiheitstüchtiger Menschen verhindern.

Organe einer „offenen Gesellschaft“

Im Zusammenhang mit den Merkmalen einer „offenen Gesellschaft werden meist nur die Institutionen erwähnt, die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Gestalt geben und ihr Stabilität verleihen sollen. (…) Die bestimmenden Merkmale eines demokratischen Rechtsstaats sind leicht zu benennen: Er zeichnet sich dadurch aus:

  1. dass seine zentralen Organe, nämlich die Institutionen der Gesetzgebung (Legislative), der Verwaltung (Exekutive) und der Rechtsprechung (Judikative) unabhängig voneinander arbeiten (Gewaltenteilung
  2. dass sie strikt an das Gesetzt gebunden sind (also keine willkürlichen Entscheidungen treffen dürfen)
  3. dass die Legislative (Parlamente) sowie der Kopf der Exekutive (die Regierungen) durch allgemeine freie Wahlen bestimmt werden, und
  4. dass die Repräsentanten der sogenannten , die Protagonisten der Öffentlichen Meinungsbildung (Nichtregierungsorganisationen, Medien, Journalisten, Autoren, Blogger usw, die man unter dem Begriff zusammenfassen könnte), in ihrer Tätigkeit nicht in willkürlicher Weise eingeschränkt werden.

Die bloße Existenz von freiheitlich-demokratischen Institutionen reicht aber nicht aus um eine Gesellschaft offen zu halten. Salomon schreibt: entscheidend sei vielmehr, ob diese Institutionen und die sie tragenden Bürgerinnen und Bürger die Prinzipien der offenen Gesellschaft verinnerlicht haben.

Prinzipien einer „offenen Gesellschaft“

Und Salomon fragt: Um welche Prinzipien handelt es sich? Er entdeckt bei Popper drei fundamentale Prinzipien und fügt selbst ein viertes hinzu:

  1. Prinzip des Liberalismus (Orientierung am Ideal der Freiheit)
  2. Prinzip des Egalitarismus (Orientierung am Ideal der Gleichheit)
  3. Prinzip des Individualismus (Orientierung am Individuum statt am Kollektiv)
  4. Prinzip des Säkularismus (Orientierung an weltlich-rationalen Formen der Normbegründung statt an religiösen Dogmen)

Aus diesen vier charakteristischen Merkmalen ergibt sich für ihn die Definition einer offenen Gesellschaft. Danach fasst er zusammen:

Der Begriff kennzeichnet Gemeinschaften, die nicht nur funktionstüchtige Institutionen zur Absicherung der entwickelt haben (Gewaltenteilung, Rechtsbindung, freie Wahlen, freie Meinungsbildung) sondern zudem auch noch in besonderem Maße durch die Prinzipien des Liberalismus, Egalitarismus, Individualismus und Säkularismus geprägt sind. Dies heißt umgekehrt: Je stärker Gemeinschaften von Paternalismus (staatlicher Bevormundung), Elitarismus (sozialer Ungleichheit), Kollektivismus (Betonung von Gruppenidentitäten) und Fundamentalismus (religiöser Normbegründung) bestimmt sind, desto eher handelt es sich um „geschlossene Gesellschaften“.

Die offene Gesellschaft zu verteidigen heißt demnach, die Prinzipien des Liberalismus, Egalitarismus, Individualismus und Säkularismus zu bzw. den Einfluss von Paternalismus, Elitarismus, Kollektivismus und Fundamentalismus zu .

 

Theorie und Wirklichkeit

Auf einer Veranstaltung für ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ stellte einer der Teilnehmer die vielleicht wichtigste Frage: „Wie kann ich sicher sein, dass meine Idee von einem Bedingungslosen Grundeinkommen nicht nur eine bloße Wunschvorstellung ist, die nichts mit den wirklichen gesellschaftlichen Kräften und Funktionen zu tun hat?“ Diese grundsätzliche Frage gilt auch für die Idee einer „Offenen Gesellschaft. Bevor wir versuchen etwas mit großem Einsatz zu schützen oder zur verteidigen, sollte wir uns fragen, ob wir von dem, was wir verteidigen wollen, eine wirklichkeitsgemäße Vorstellung haben und ob es in dieser Form und in dieser historischen Entwicklungs­phase auch lebensfähig ist oder ob es bereits Widersprüche enthält, die zu ihrem Untergang führen müssen. Geht es nur darum, sich selbst Gutes vorzustellen und Gutes zu fühlen, also in Übereinstimmung mit sich selbst zu sein (Gutmenschen), oder geht es auch darum wahrzunehmen, was „die Wirklichkeit“ uns entgegenbringt und jetzt von uns verlangt? Was sind die wirklichen Triebkräfte von heutigen Gesellschaften?

Wirklich­keitsnahe Prinzipien einer „Offenen Gesellschaft“ können sich nur aus der Wahrnehmung und Beschreibung dessen ergeben was Gesellschaft als Ganzes in der Gegenwart ist. Und gesellschaftliche Krisen und Konflikte können als Symptome gesellschaftlicher Ungleich­gewichte oder gestörter Prozesse gesehen werden, so wie in lebenden Organismen Krankheiten die Symptome von Fehlentwicklungen sind. Das Phänomen Trump wird man nicht los, indem man die Person Trump bekämpft, sondern indem man gesellschaftliche Fehlentwicklungen versteht und verhindert. „Das unvollständig Wahre wird zum blendend Falschen“, soll Goethe einmal gesagt haben. Er wollte damit sagen, dass auch Teilwahrheiten zur Selbstzerstörung führen müssen, wenn sie nicht im Kontext des Ganzen und Zeitgemäßen gesehen und gestaltet werden. Deshalb gilt es, durch die gesellschaftlichen Krisen­symptome hindurch, auf die eigentlichen Triebkräfte makrosozialer Systeme zu schauen, so wie wir auch Erdbeben und Vulkanausbrücke nur verstehen, wenn wir die auseinander­treibenden oder zusammenstoßenden Kontinental­platten der Erde voraussetzen. Auch wenn man kein Marxist ist, kann man in dem Bemühen, die Triebkräfte der Geschichte zu erkennen, die eigentliche Leistung von Karl Marx sehen: Welche Kräfte sind das, die unsere Geschichte vorwärtstreiben? Die Fehlleistung von Karl Marx bestand darin, dass er glaubte alle Kräfte zu überblicken und dass er die Auswirkungen des „Zufalls“ und des menschlichen Geistes unterschätzte. Dazu war er zu sehr dem Materialismus und dem Idealismus seiner Zeit verhaftet. Aber sein Verdienst ist, dass er die entscheidende Fortschrittsidee des 19. Jahrhunderts, den Entwicklungsgedanken (Evolution) auch auf gesellschaftliche Veränderungen anwandte. Sein Fehler war, dass er in Bezug auf die Bedeutung der Produktionsverhältnisse zu sehr dem Materialismus verhaftet war – „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“ – aber in Bezug auf die Zwangsläufigkeit geschichtlicher Entwicklungen zu idealistisch.

Auf die Gesellschaft kommt es an

Um die Frage zu beantworten, wie Demokratien gerettet werden können, stellt sich also auch die Frage: Was ist Gesellschaft als Ganzes? Was sind ihre Organe, ihre Funktions­systeme und Prozesse? Und eine neue Art und Weise sie zu sehen und zu beschreiben besteht darin, sie nicht als theoretisches Konstrukt, als Theorie aufzufassen, sondern als Beschreibung von etwas was man real vor sich sieht und mit sich verbunden erleb. Goethe nannte diese wirklichkeitsorientierte Erkenntnismethode „Anschauende Urteilskraft“. Und aus dieser Perspektive muss man kritisch feststellen, dass es sich bei der Darstellung Salomons von offener Gesellschaft und seiner Prinzipien eben um solche willkürlichen Konstrukte und normativen „Behauptungen“ handelt, die einem Vergleich mit der Wirklichkeit nicht standhalten. Das heißt ja nicht, dass ihnen jeglicher Wirklichkeitsgehalt abgesprochen wird, sondern ihr größter Fehler liegt in ihrer Unvollständigkeit und Abstraktheit. Dagegen wird es in der Gegenwart und Zukunft darauf ankommen, dass für jeden Menschen erlebbar wird, wie er als Einzelner, mit seinem konkreten Tun und Lassen am Wohlergehen einer Gesellschaft beteiligt ist. Genau solch eine Darstellung von Gesellschaft im Sinne von Goethes „Anschauender Urteilskraft“ soll hier versucht werden.

Vom Gesichtspunkt der Gesellschaft aus betrachtet ist Demokratie (nur) ein Teil ihrer Binnenorganisation. Gesellschaften haben die Demokratie überhaupt erst im Laufe ihrer Entwicklung als politisches Organisationsprinzip hervorgebracht. Eine relevante Betrachtung von Demokratie muss also mindestens auf die Gesellschaft ausgedehnt werden mit allen ihren Subjekten, Organen und Regelungssystemen. Es zeigt sich immer mehr, dass Gesellschaft nicht aus der Demokratie heraus organisiert werden kann, sondern dass Demokratie aus der Gesellschaft heraus organisiert werden muss. Das zeigt sich gegenwärtig am Entstehen von Volksbewegungen, wie die der Schüler, die für den Klimaschutz demonstrieren oder die der Gelbwesten genauso wie der Niedergang der Volksparteien. Das politische System und seine Funktionäre sind von der Komplexität der gesellschaftlichen Wirklichkeit überfordert. Diese Komplexität aller miteinander verbundenen Systeme bezieht sich aber eben nicht nur auf das Innenleben einer Gesellschaft, sondern zunehmend auch auf ihre Außenbeziehungen zu trans­gesellschaftlichen Systemen wie zum Beispiel der europäischen Union, der Nato und der Uno, so dass Demokratien in ihrer ganzen Komplexität im Zusammenhang mit folgenden Systemen zu sehen sind:

Es lässt sich also mit Recht einwenden, dass internationale Kapitalströme, Kulturaustausch über das Internet, Flüchtlingsströme über ganze Kontinente und weltweite Arbeitsteilung in der Wirtschaft die Grenzen von Gesellschaften längst überschritten haben. Warum dann noch den Schwerpunkt auf die Gestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse legen? Weil Gesellschaft, wie im Biologischen der Organismus, eine soziale Gestaltungseinheit der Selbstreflektion und Selbststeuerung bleibt, ganz unabhängig davon welche Form sie unter sich verändernden geschichtlichen Bedingungen annimmt. So wie sich in der Vergangenheit Stammesgesellschaften zu Königtümern Nationalstaaten und Demokratien entwickelten. Das Entscheidende von Gesellschaften ist ihre Verfasstheit, also die Fähigkeit einer konkreten Gruppe von Menschen sich als Ganzheit zu definieren, sich zu strukturieren, sich abzugrenzen (ohne sich abschließen zu müssen), sich selbst zu reflektieren und zu steuern auch wenn sie die Grenzen von abgrenzbaren Nationalstaaten längst überschritten haben. Nationen beziehen sich eher auf das historisch Gewordene, Gesellschaften auf das Werdende.

Gesellschaft und Demokratie

Die Bemühung unsere Demokratien zu retten kann also bei der Betrachtung der Demokratie allein nicht stehen bleiben, weil das in der Demokratie angelegte Machtstreben immer die Tendenz zur Selbstbeharrung hat und ihre inhaltlichen Beziehungen zu Arbeit, Einkommen, Kapital und Kultur mit Wissenschaft und Bildung im Unklaren bzw. unverbindlich bleiben. Darin liegt der Geburtsfehler herkömmlicher Demokratien, dass Wirtschaft, Kultur und Kapital nicht mit gleichgewichtigen Körperschaften am demokratischen System beteiligt sind. Das führt dazu, dass entweder die Systeme außerhalb der Demokratie, zum Beispiel durch wirtschaftlichen Lobbyismus unkontrollierten Einfluss auszuüben oder das politische System einen destruktiven Einfluss, zum Beispiel auf die Wirtschaft (Planwirtschaft) oder auf Kultur, Wissenschaft und Bildung nimmt (Staatskultur) nimmt.

Erst aus einer bewusst gestalteten Begegnungsdynamik zwischen gleichgewichtigen gesellschaftlichen Funktionssystemen wie der Demokratie als politischem System, der Kultur, der Wirtschaft und des Kapitals entstehen die Selbsterhaltungs­kräfte einer Demokratie. Dazu kommt noch das konstituierende Element aller sozialen Systeme, der einzelne Mensch, das Individuum, das in modernen Gesellschaften deshalb eine immer größere Rolle spielt, weil nur der einzelne Mensch kreativ und geistesgegenwärtig auf sich immer schneller verändernde Verhältnisse in seinem Lebensumfeld eingehen kann. àAuf den Einzelnen kommt es an.

Die Fragen von Armut und Einkommen, der andauernde „Bildungsnotstand“ und die Geißel der Arbeitslosigkeit, die wir zur Zeit nur in andere Länder verbannt haben – zu denken ist dabei besonders an den Skandal der hohen Jugendarbeitslosigkeit in den südeuropäischen Staaten- sind nicht innerhalb eines demokratischen Systems zu lösen, sondern nur im Zusammenspiel aller gesellschaftlichen Systeme und Kräfte wie Kultur (Kunst, Wissenschaft, Bildung). Denn die Krisensymptome innerhalb der Demokratie haben ihre Ursache häufig in den Systemen die aus der Gesellschaft in die Demokratie hineinwirken. Bezeichnenderweise heißt das Werk des großen Soziologen Ralf Dahrendorf zur Erkundung der deutschen Demokratie: „Gesellschaft und Demokratie“. Die „Liberalen“ wie Dahrendorf beziehen sich wiederum unter anderem auf den Philosophen Karl Popper, der unter dem Eindruck der sich ausbreitenden Naziherrschaft und der rassistischen Verfolgung der Juden in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts sein vielzitiertes Standartwerk: „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ schrieb. Der auch von mir benutze Begriff einer offenen Gesellschaft, wenn er nicht mit Ausführungszeichen gekennzeichnet ist, soll eine etwas andere Bedeutung haben. Er soll im Sinne einer „Lernenden Organisation“, wie er aus der Organisationsforschung bekannt ist, zunächst nur so viel festlegen, dass es sich um ein soziales System handelt, das in der Lage ist, sich aus der bewussten Wahrnehmung und Reflexion ihrer eigenen Innen- und Außenwelt immer wieder zu erneuern. Es handelt sich bei dem von mir benutzten Gesellschaftsbegriff im Gegensatz zu dem von Karl Popper nicht um ein normatives Konzept von Gesellschaft, das von vornherein festlegt was eine „Offene Gesellschaft“ enthalten soll, sondern um die Beschreibung eines sich selbst regelnden sozialen Systems, das in der Entwicklung zum mündigen Individuum seinen Ausgangspunkt und seinen Zielpunkt findet und gesellschaftliche Offenheit nur durch selbst gesetzte Grenzen und selbstbewusste Identität schafft. Deshalb wird auch dem einzelnen Menschen als Souverän von Demokratie und Gesellschaft das nächste Kapitel gewidmet.

Auf den Einzelnen kommt es an

Offener Mensch

Einfacher als eine Offene Gesellschaft“ können wir uns wahrscheinlich etwas unter einem „offenen“ Menschen vorstellen. Gemeint ist damit kein naiver, leutseliger Mensch, sondern ein Mensch, der sich seiner Selbst, seiner Identität, seiner Fähigkeiten, auch seiner Unfähigkeiten und Schwächen bewusst ist und sich deshalb weder ängstigen noch verstellen muss. Aus dieser Sicherheit heraus klammert er sich nicht an Routinen, Religionen, Traditionen, Glaubenssätze und Ideologien, sondern vertraut darauf, dass er für neue Herausforderungen Lösungen findet, die ihn nicht einschränken, sondern weiterbringen. Selbstbewusstsein hat für einen offenen Menschen die wortwörtliche Bedeutung, dass er sich selbst kennt und nicht ein falsches Selbstbild von sich hat. „Erkenne dich selbst“ stand schon im Tempel zu Delphi und markiert den Ausgangspunkt der westlichen „Moderne“ mit seinem Streben nach eigener Erkenntnis auch seiner Selbst, individueller Selbstbestimmung, und Selbstverwirklichung. Er weiß auch, dass er nicht in Besitz einer endgültigen Wahrheit und Sicherheit ist, sondern dass seine Existenz auf der Erde gefährdet und vorläufig ist. Was ihn, im Gegensatz zu anderen lebenden Organismen zum Menschen macht ist im Gegensatz zur Anpassungs­fähigkeit der Pflanzen- und Tierwelt, seine Einsichts- und Erkenntnisfähigkeit gegenüber sich selbst und seiner Umwelt. Was ihn zugleich am meisten gefährdet ist die Neigung, sich in seinem Vorstellungsleben und ideologischen Konstrukten zu verlieren, das den eigenen Wünschen aber nicht der Wirklichkeit entspricht und diese Gefahr wird desto größer, je mehr der Mensch sich in einer virtuellen Welt verläuft und den Kontakt zu seiner Naturgrundlage verliert.

Wenn ich an einen ganz konkreten, „offenen“ Menschen denke, dann kann ich ihn mir in allen Einzelheiten und auf verschiedenen Ebenen vorstellen Auf der physischen Ebene hat er nicht nur eine äußere Gestalt, einen Leib und Gliedmaßen, sondern auch innere Organe, Organsysteme und Lebensprozesse, die sein Leben in jedem Moment aufrecht erhalten. Sie versetzen ihn erst in die Lage der zu sein der er ist. Wenn etwas Wichtiges fehlt oder seine Teile nicht in Harmonie miteinander „Zusammenarbeiten“, dann ist der physische Organismus untüchtig, krank oder stirbt sogar. Aber genauso kann bei jedem Menschen auch von der Existenz eines seelischen Organismus gesprochen werden, die ununterbrochen von Vorstellungen, Gefühlen und Willensimpulsen durchströmt ist, die seelischen Gesetzmäßig­keiten folgen. Sie sind das Ziel der Selbsterforschung und der Psychologie. Und schließlich zeigt sich auch noch eine geistige Welt in jedem Menschen, in der er durch bewusstes Denken, Ganzheiten analysiert, auf Wahrnehmungen und Erfahrungen zurückführt und einzelne Phänomene in einen ganzheitlichen Zusammenhang bringt. Nun denke man sich das Ganze nicht als zeitlose Theorie, sondern als lebendigen Prozess, der in jedem Menschen, zu jedem Zeitpunkt anders abläuft. Es zeigt sich also schon der einzelne Mensch als ein sehr komplexes Wesen. Deshalb steht auf der Suche nach einer „offenen Gesellschaft“ auch zunächst die Frage nach dem Wesen des modernen Menschen, nach seinem „Menschenbild im Mittelpunkt. Versäumt man eine Klärung dieser Frage, streitet man möglicherweise über etwas, ohne zu wissen worüber man streitet. Das ist so als streite man über den „rechten Glauben“ ohne zu klären, welchen Begriff man von Gott hat. Wie aktuell diese Frage nach dem Menschenbild ist, zeigt sich aktuell besonders an der Person des amerikanischen Präsidenten, der ganz explizit ein darwinistisches Bild vom Menschen vertritt und das in seiner Überzeugung zum Ausdruck kommt: Der Stärkere hat immer recht und seine Ziele erreicht man nur durch Konfrontation aus einer Position der Stärke. Eine entscheidende Voraussetzung für eine moderne Gesellschaft ist ein humanistisches Weltbild, das auf den neuesten Stand gebracht ist. Deshalb soll mein erstes Prinzip für eine „offene Gesellschaft“: Zeitgemäßer Humanismus heißen, der in dem Kapitel: „Humanismus – Auf den einzelnen Menschen kommt es an“ behandelt wird.

Demokratie braucht Demokraten

Bei einer Kundgebung in Bremen für eine „offene und vielfältige Gesellschaft“ sagte der regierende Bürgermeister. „Die Bedrohung der Demokratie kommt nicht allein von Brandstiftern“. – „Die tiefere Bedrohung kommt vom Wegschauen, vom Nichternstnehmen, von der Gleichgültigkeit.“ – „Die Demokratie braucht Demokraten.“ Die entscheidende Frage ist, was macht einen Demokraten aus, wenn wir ihn nicht auf seine demokratischen Funktionen reduziert denken, sondern als ganzen Menschen berücksichtigen? Wer also fordert, dass zukunftsfeste Demokratien auch entsprechend befähigte Demokraten braucht der kommt an vier Fragestellungen nicht vorbei:

  1. Was ist der Mensch? (Humanismus)
    und wozu kann er sich in der Gegenwart und Zukunft bestenfalls entwickeln? Das heißt, es stellt sich die Frage nach einem zeitgemäßen Humanismus in dem der ihm mögliche kreative Freiraum in einer biologisch und technisch determiniert erscheinenden definiert ist. àDer Mensch als Maß aller Dinge.
  2. Was ist Bildung?
    Wie kann jeder einzelne Mensch auf seinem Bildungsweg durch ein entsprechend organisiertes Bildungswesen sein Maximum an Fähigkeiten zum Handeln entwickeln? Und wie kann die Gesellschaft einen bildungspolitischen Freiraum, das die Entwicklungs­potentiale der Kinder nutzt, gegenüber den Anmaßungen staatlich-demokratischer Institutionen behaupten? àBefähigung zum Handeln
    Außerdem bedürfen alle Menschen, unabhängig von ihrer Intelligenz einer Bildung, die ihnen eine Orientierung in der Welt ermöglicht.
  3. Welche Bedeutung hat Selbsterkenntnis für Demokratie und Gesellschaft?
    Wie kann der Mensch sich selbst aus seiner Eigenperspektive zu einem erkennenden, befähigten und erfüllten Menschen weiterentwickeln, der erst mit Hilfe eines durch Selbsterkenntnis gereinigten Spiegel der Erkenntnis ein wirklichkeitsgemäßen Bild von der Welt erhält? àErkenne dich selbst!
  4. Wie begegne ich dem Mitmenschen?
    Wie entsteht eine tragende Brücke zum anderen Menschen zu einer Zeit in der die natürlichen und tradierten Beziehungen zwischen einzelnen Menschen in einer zunehmend digitalisierten und fragmentierten Gesellschaft immer brüchiger werden und die Fähigkeit immer wichtiger wird dem anderen Menschen mit Empathie und Interesse zu begegnen.

Das Denken über gesellschaftliche Systeme und Demokratie kreist deshalb auch seit über zweitausend Jahren um das Verständnis des Menschen: Was ist der Mensch? Was kann er sein und wieweit ist er durch seine Zeit geprägt? Auch wenn die Wissenschaften im Laufe der Jahrhunderte aufgedeckt haben wie weit der Mensch auch durch seine Natur und durch soziale Einflüsse determiniert ist, bleibt die zentrale Frage eines sich über Jahrhunderte verändernden Humanismus: Was ist menschliche Freiheit? Und, zu wieviel Freiheit kann er es im besten Fall durch Erziehung, Bildung und Entwicklung seiner Persönlichkeit bringen? Deshalb kann auch die Forderung: „Eine Demokratie braucht Demokraten“ nur im Zusammenhang mit der Frage nach einem Humanismus, nach einem zeitgemäßen Menschenbild, nach der Entwicklung seines Bewusstseins und nach einem zukunftsfähigen Konzept von Bildung erfüllt werden. (àAuf den Einzelnen kommt es am)

Auf die ganze Menschheit kommt es an (Globalisierung)

In Zeiten zunehmender Globalisierung, die sich vor allem in einer weltweiten Arbeitsteilung in der Wirtschaft manifestiert und in einem sich über weite Teile der Erde erstreckenden Kommunikations­netz der „Sozialen Medien“ und des Internets, haben wir es mit einer weiteren sozialen Dimension zu tun, der Menschheit, die nicht nur aus unterschiedlichen Völkern und Nationen besteht, sondern sich auch in verschieden Religionen und Kulturen manifestiert, die begünstigt durch die Informationsnetzwerke auch als geistige oder ideologische Subjekte aneinander stoßen (Clashes of Civilisations). Alle demokratischen und gesellschaftlichen Entscheidungen beziehen sich heutzutage und in Zukunft letztlich auf die ganze Menschheit.

Auf die Erde kommt es an

Und ein weiteres System, das sich zunehmend in das Bewusstsein der Menschen drängt, wenn auch viel zu spät, ist das der Erde als Biotop, das innerhalb des Kosmos dem Menschen überhaupt erst eine Lebensgrundlage verschafft, beziehungsweise sie ihm auch wieder nehmen kann. Die Erde ist die Lebensgrundlage des Menschen, – „Wir haben keine zweite Erde im Kofferraum!“ – hat deutlich gemacht, warum Menschen im Allgemeinen und Politiker im Besonderen von der Wirklichkeit und ihren Anforderungen an die Problemlösungskompetenz überfordert sind. Es zeigt sich in krasser Form in der gegenwärtigen Diskussion zur drohenden Klimakatastrophe, dass viele Menschen unfähig sind, vom Ende her zu denken und so zu handeln, dass ein für die Menschheit lebensbedrohlicher und unumkehrbarer Zustand vermieden wird. Solch ein Punkt wäre zum Beispiel überschritten, wenn wegen der Erderwärmung die Permafröste der Arktis auftauen und das in ihnen enthaltene Methan zu einer noch schnelleren Erderwärmung und zu einer Vergiftung der Atmosphäre führt, die das Leben auf der Erde unmöglich machen.

Insgesamt ergeben sich dann 12 innovative Ansatzpunkte für die Rettung und Entwicklung von Demokratien und offenen Gesellschaften:

Ein ganzheitlicher Demokratiebegriff

Die Überlebensfähigkeit von Demokratien hängt also davon ab, dass  nicht nur ihre internen Prozesse wirklichkeitsnah gestaltet werden, sondern dass gesehen wird, dass sie aus eigenständigen Systemen  besteht (Individuen), dass sie selbst ein Organ, neben anderen Organen oder Funktionssystemen der ganzen Gesellschaft ist und im Zeitalter globalisierter Wirtschafts- und Informations- und Kapitalprozesse zunehmend auch von der ganzen Menschheit mit ihren unterschiedlichen Kulturen abhängt. Demokratie muss deshalb Wahrnehmungs- und Interaktionskanäle zu den oben genannten Systemen und Subsystemen herstellen die sie nicht selbst hervorbringt und aus denen ihr die Kräfte zufließen müssen die sie ernährt und am Leben erhält. So ergeben sich aus dem Zusammenspiel der Demokratie mit allen Sub- und Transsystemen 12 Ansatzpunkte zu ihrer Rettung und Erhaltung. Es wird sich zeigen, dass jeder dieser 12 Ansatzpunkte nicht nur zu Innovationen in der Demokratie führen kann sondern selbst revolutionäres Potential haben.

12 Schlüssel und Ansatzpunkte

Zur Rettung von Demokratien und „offenen“ Gesellschaften

  1. Mache den Menschen zum Maßstab! (Humanismus)
    Begründe einen Humanismus der Moderne mit einem Menschenbild, in dem jeder Mensch zum Träger kreativen Handelns wird (werden kann): „Jeder Mensch ist ein Künstler“. Für diese Moderne wurde vor etwa 2500 Jahren der Keim gelegt mit der Inschrift: „Erkenne dich Selbst“. Keine politische oder gesellschaftliche Diskussion ist sinnvoll ohne die Beantwortung der Frage: Von welchem Menschenbild gehen wir heute aus?
  2. Organisiere die Demokratie! (Update für die Demokratie)
    Demokratie ist eine Organisation, in der es außer auf Werte und Strukturen auf Prozesse ankommt, in denen möglichst viele einzelne Mitglieder – mündige und wahlberechtigte Bürger von unten nach oben und von oben nach unten auf effiziente und fließende Weise (lean) mit dem Ganzen in Kommunikations- Koordinations- und Kooperationsprozessen verbunden sind. Das Revolutionäre oder Innovative an dem hier vertretenen Ansatz ist ein neues (organisches) Verständnis von Organisation, das nicht ihre Schwächen (Kompromisse) sozialer Prozesse in den Vordergrund stellt, sondern ihre Steigerungsmöglichkeiten (Team).
  3. Begegne deinem Gegenüber!
    So wie die Begegnung mit sich selbst für die individuelle Identität eines Menschen konstituierend ist, begründet die äußerliche und innerliche Begegnung mit einem Gegenüber die soziale Identität. Die für moderne Gesellschaften notwendige revolutionäre Veränderung besteht darin, dass wir unser Gegenüber nicht mehr auf seine Funktion in unserem Selbstbild reduzieren, sondern ihm wie einem unbekannten Kontinent begegnen, den wir im Dialog mit ihm neu entdecken. Dazu benötigen wir Offenheit und empathisches Interesse. In diesem Sinne werden Demokratien gerettet, wenn Menschen aufeinander zugehen und sich füreinander öffnen.
  4. Funktionalisiere die Gesellschaft!
    Demokratie ist im Außenverhältnis „nur“ ein Organ der ganzen Gesellschaft. In der Gesellschaft gilt es die verschiedenen Funktionssysteme: Demokratie, Wirtschaft, Kultur (Wissenschaft, Bildung, Kunst) und Kapital zu erfassen und als Wechsel­wirkungsprozess zu gestalten. „Offene Gesellschaft“ im allgemeinen Sinne versteht sich hier als „Lernende Organisation“ in der Abgeschlossenheit und Offenheit einander bedingen. Ihr revolutionäres Prinzip ist das der Gliederung in vier Funk­tionssysteme und die soziale Steigerung durch Kommunikations- Koordinations- und Kooperations­prozesse zwischen ihnen.
  5. Globalisiere die Gesellschaft!
    Auch Gesellschaft hat eine Außenseite. Im Zeitalter einer weltweiten Arbeitsteilung, des globalen Handels, des interkulturellen Informationsaustausches und der grenzüberschreitenden Kapitalströme darf Gesellschaft vor diesen Kräften nicht kapitulieren, sondern muss sie verstehen und gestalten.
  6. Ermögliche die Entwicklung des Einzelnen!
    Nur der Einzelne kann wahrnehmen, vorstellen, denken, fühlen und in Raum und Zeit handeln. Auf die Leistungsfähigkeit und Kreativität jedes Individuums kommt es in modernen, individualisierten Gesellschaften immer mehr an. Deshalb ist es die vordringlichste Aufgabe von Politik und Gesellschaft die Freiräume und Fähigkeiten des Einzelnen zu ermöglichen.
  7. Revolutioniere die Bildung!
    Eine Schlüsselrolle bei der Erhaltung von Demokratien und offenen Gesellschaften kommt der Bildung, im weitesten Sinne zu, weil nur sie den einzelnen Menschen zum sinnvollen Handeln in einer immer komplexer werdenden Welt befähigt. Auf ihrem Gebiet ist eine Umkehrung ihrer Zielsetzung vom Wissenserwerb zur Befähigung zum Handeln genauso notwendig wie die Befreiung ihrer Institutionen von der Bevormundung durch den politischen Staat.
  8. Erkenne die Erkenntnis!
    Hierbei geht es um die erkenntnisphilosophische und wissenschaftstheoretische Begründung menschlicher Erkenntnis und menschlicher Freiheit. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Menschen der Moderne ist sein Verhältnis zur Wirklichkeit und das Streben nach eigener, reflektierter Erkenntnis. Dazu gehört die Erkenntnisfähigkeit gegenüber sich selbst genauso wie die Erkenntnis der äußeren Wirklichkeit. Beide bedingen einander. Eine revolutionäre Erneuerung der Wissenschaften bezieht sich auf die Ergänzung ihrer sinnlich-materiellen Voraussetzungen (materielle Empirie) durch eine Wissenschaft nach innen (Geisteswissenschaft).
  9. Erkenne die Welt in ihren verschiedenen Dimensionen!
    Erst die Erfassung und Unterscheidung qualitativ unterschiedlicher Dimensionen der Außenwelt und ihrer Qualitäten in materielle, belebte, bewusste und bewusst-soziale „Gegenstände“ ermöglicht eine sachgemäße und zeitgemäße Gestaltung der Gesellschaft.
  10. Bewahre und gestalte die Naturgrundlage!
    Das Biotop Erde ist die Lebensgrundlage des Menschen und wie ein gemeinsamer Garten zu pflegen. Der Wandel von einem konservierenden zu einem zukunfts­fähigen Naturverständnis besteht darin, dass der Mensch nicht nur als ihr Bewahrer auftritt, sondern auch als ihr Gestalter, weil er sich als aktiver Teil von ihr begreift. Denn es gibt keinen „naturbelassenen“ Zustand der Erde.
  11. Finde eine zeitgemäße Religiosität! (Spiritualität)
    die einem modernen Vernunfts- und Erkenntnisbegriff nicht widerspricht – „Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, hat auch Religion, wer jene beiden nicht besitzt, der habe Religion“ schrieb Goethe einmal. Es geht darum, dass der einzelne Mensch in Imaginationen (Narrative), Inspirationen (anregenden Emotionen) und Intuitionen (Impulse zum situativen also geistesgegenwärtigen Handeln) sein Verhältnis zu sich selbst und zu den Ganzheiten der Welt pflegt.
  12. Handle im Hier und Jetzt!
    Entwickle Geistesgegenwart und lebe im jetzt. Erinnere das Vergangene und strebe nach dem Zukünftigen. Nicht zuletzt die Virtuelle Welt, und zum Beispiel „Industrie 4.0 fordern vom heutigen Menschen ein Echtzeitbewusstsein: Was kann jetzt getan werden?

 

Ursachen – Die Zumutungen der Moderne

Der Philosoph und Kulturpolitiker Nida Rühmelin räumte ein, dass die Ursachen für den gegenwärtigen Populismus und den Rechtsruck in Europa und in vielen anderen Ländern in der Welt nicht nur in politischen Fehlentwicklungen zu suchen seien, sondern dass die kulturelle Komponente als Ursache vernachlässigt worden sei. Dem kann man nur zustimmen. Die Frage ist, worin die kulturelle Komponente besteht. Ist es der Aufmerksamkeit der Wissenschaft und der Politik wirklich entgangen, dass wir es schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts mit einer kulturellen Spaltung

Entwurzelung des Menschen

Um die Gegenwart in dieser Hinsicht zu verstehen, müssen wir das 19. Jahrhundert und seine gesellschaftlichen Entwicklungen berücksichtigen. Der Scheideweg beginnt mit der Mechanisierung der Landwirtschaft, des Handwerks und der Industrie, setzt sich fort mit dem Einsatz von Kohleenergie und Erdöl als Energiequelle und schließlich mit der Elektrifizierung der Industrie. Es sind die industriellen Revolutionen. Damit verbunden war eine Entwurzelung der Landbevölkerung, eine Gettoisierung in den Städten, eine Entfremdung von der Natur sowie von den kulturellen Traditionen (religiösen, jahreszeitlichen und gemeinschaftlichen). Das können wir noch heute in den „Entwicklungsländern“ in Verbindung mit der Entstehung von unregierbaren Megacitys beobachten. Der Marxismus nannte es die Geburtsstunde des besitzlosen Proletariats, das nur seine Arbeitskraft zu Markte tragen kann. Aber es war auch die Geburtsstunde des Materialismus, der nach Marx die Lebensverhältnisse vieler Menschen determiniert und nicht seine Ideen, Gefühle und Affekte. Nicht Zuletzt der Siegeszug der Naturwissenschaft mit ihren empirisch-mathematischen Methoden schürte den Irrglauben, dass die sinnlich wahrnehmbare Welt auf das messbare, ohne Einbeziehung des „subjektiven“ Menschen reduziert werden müsse, um sie „objektiv“ beurteilen zu können.

Ursache Bildung

Umso erstaunlicher ist es, dass noch fast niemandem aufgefallen zu sein scheint, dass angesichts der sich häufenden politischen, gesellschaftlichen und globalen Fehlleistungen auch von einem bildungspolitischen Totalversagen zu sprechen ist, die schon damit beginnt, dass nicht einmal eine Klarheit darüber herrscht, was Bildung überhaupt ist. Gemeint ist eine Bildung, die die Fähigkeiten der Menschen sich in der Wirklichkeit zu bewähren höher bewertet als ein Nachplappern wissenschaftlicher Wissensbruchstücke. Die Wirklichkeit ist weder bei Google noch bei Wikipedia und nicht einmal durch die Wissenschaft allein zu finden. Es wird sich zeigen, dass es einer wahrhaften Bildungsrevolution bedarf, um den Wirklichkeitssinn und die Kreativität der Heranwachsenden vom Kopf auf die Beine (Glieder) zu stellen.

Schlüssel (X) àRevolutioniere die Bildung.

Ursache Selbstbewusstsein

Gerade die „Metawissenschaften“ der Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorie können zeigen, dass es Wirklichkeitserkenntnis und Wirklichkeitswirksamkeit gar nicht ohne Selbsterkenntnis geben kann.

Schlüssel : „Erkenne Dich selbst“

Zumutungen der Moderne

Das führte auch zu einer Spaltung der Gesellschaft

Erkenne dich selbst: Selbstverwirklichung und Selbst-Bewusstsein

Der erweiterte Ansatz zur Rettung der Demokratie bezieht sich deshalb auch auf die ganze Gesellschaft.

Soziale und natürliche Systeme im Kontext der Demokratie

Wir müssen also feststellen, dass im Kontext der Demokratie folgende Systeme und ihre Subsysteme ineinandergreifen:

  1. Der Einzelne – Das ganze menschliche Individuum
    1. Unser Menschenbild: Was ist und kann der Mensch?
    2. Welche Bildung und welches Bildungssystem befähigen den einzelnen Menschen in der Wirklichkeit zu handeln?
    3. Welche Rolle spielen Welt- und Selbsterkenntnis des Einzelnen?
    4. Wie schafft der einzelne Mensch durch Begegnung mit anderen Menschen die Grundlage für zukunftsfähige soziale Systeme?
  2. Gesellschaft (mit vier Subsystemen)
    1. Demokratie als politisches Herrschaftssystem (Subsystem)
    2. Wirtschaftliches System (Subsystem)
    3. Kulturelles System (Subsystem)
    4. Kapital- und Finanzsystem (Subsystem)
    5. Organisatorische Sub-Sub-Systeme (Organe)
  3. Transgesellschaftliche Sozialsysteme
    1. Allianzen und Assoziationen
  1. Europäische Union
  2. Nato
  • Uno
    1. Die ganze Menschheit mit ihren Kulturen und Religionen
  1. Ökosystem der Erde
    Natürliche Lebensgrundlagen des Menschen

Lösungen

Zukunftsschlüssel und geistige Quellen

Deshalb muss an die Stelle eines selbstbezogenen Existenzkampfs ums Überleben der Arten wie bei den Tieren in modernen menschlichen Gesellschaften ein neuer Antrieb zur Entwicklung des Individuums und der Gesellschaft treten. Was lehrt uns, das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Heilsame (Gute) vom Kranken (Bösen) zu unterscheiden, in einer Welt die immer komplexer und undurch­schaubarerer zu werden droht und unerreichbar für mitfühlendes Erkennen und sinnvolles Mittun? Es gibt nur die eine unvergängliche Quelle menschlichen Fortschritts seit der griechischen Antike, die zugleich auch die Quelle der Demokratie und einer offenen Gesellschaft ist: Die Aufklärung und der Humanismus.

 

Das bedeutet:

  1. dass der Mensch als Erkennender im Mittelpunkt steht à“Erkenne die Erkenntnis
  2. dass alles Erkennen von authentischer Erfahrung abhängt.
  3. dass diese Erfahrung nur zur Hälfte von der Vielfalt sinnlicher Erfahrung und zur anderen Hälfte vom Selbst-Bewusstsein abhängt: „Erkenne dich selbst“, die es zu entdecken und zu schulen gilt.
  4. von der menschlichen Fähigkeit diese inneren und äußeren Erfahrungswelten durch individuelles und kritisches Denken zu untersuchen und in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. (ganze Wirklichkeit)
  5. dass die spezifischen menschlichen Fähigkeiten von seiner Sozialisation, Erziehung und Bildung abhängen, die ihn als Lernenden in den Mittelpunkt seines sozialen Umfeldes stellen.
  6. dass wir wissen, dass unser Wissen von der Welt immer unvollständig bleiben wird: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Von Plato Sokrates zugeschrieben.
  7. dass jedem Menschen grundsätzlich diese Fähigkeit zugerechnet werden kann und seine individuelle Unverwechselbarkeit, in Raum und Zeit, die Würde und Gleichberechtigung jedes Menschen begründet.
  8. dass die Welt als fließend und als Entwicklung gedacht wird (panta re, „Niemand steigt zweimal in den gleichen Fluss.“ (àGeschichtsbewusstsein)
  9. dass wir nicht Erfüllungsgehilfen irgendwelcher Götter oder Religionen sind, sondern die Welt als ganzheitliche Dimension göttlich ist, die eine selbstbestimmte religiöse Verehrung rechtfertigt.

[1] Hauke Hartmann im Bericht der Süddeutschen Zeitung von der Bertelsmann-Stiftung vom 26.01. 2019

[2] Wolfram Eilenberger; Gespräch mit Bernd Scobel in 3Sat; Dezember 2020

[3] Goethe; Faust II; Großer Vorhof des Palastes

[4] Die „Moderne“ ist ein gegenüber der Vergangenheit schwer abzugrenzender Begriff. Er bezeichnet einen Umbruch auf vielen Lebensgebieten, der auch durch die industrielle Revolution bedingt ist. Seine Wurzeln reichen aber bis zur Aufklärung, dem Humanismus der Renaissance und bis zu den Griechen mit ihren Ansätzen zur Demokratie, Mathematik, Wissenschaft, Mechanik, Philosophie und Kunst zurück. Sie bilden auch die Grund­lage der westlichen Kultur. (Geschichte des Westens, Heinrich August Winkler, 2009)

[5] Michael Hampe, 2018

[6] Descartes, in „Meditationes de prima philosophia – 1641“

[7] Wird von Platon (ca. 427-347 v. Chr.) in seinen Werken „Phaidros“, „Philebos“ und „Symposion“ Sokrates (469-399 v. Chr.) zugeschrieben

[8] Brief vom 26. 4. 1846. Bille og Bogh, Breve fra H. C. Andersen, Bd. 2, Kph. 1879

[9] Habermas

[10] Lyotard, Das Postmoderne Wissen, 1979

[11] Wikipedia zur Postmoderne, 2021

[12]

[13][13][13][13] Axel Hacke, Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen. Goldmann 2018; Seite10

[14] Francis Fukuyama; 1992